„Veränderungen annehmen und nutzen“
Anja Schultes berufliche Karriere besteht aus zwei Leben: als Industriekauffrau und Betriebswirtin ist sie in die Fußstapfen ihres Vaters gestiegen und hat in der Nachfolge viele Jahre die Meisterwerke Schulte GmbH weitergeführt und erneuert. Als Psychologin, Trainerin und Coach hat sie ihr eigenes Beratungsunternehmen Sparringspartner für Führungskräfte gegründet und seit 2020 das Crossmentoring OWL Programm in Paderborn übernommen.
Die Mutter zweier Töchter hatte ihre Karriere als Managerin eines mittelständischen Unternehmens nicht geplant, sondern ist allmählich in die unterschiedlichen Rollen hinein gewachsen. Der Vater hatte einen Sohn als Nachfolger für das Familienunternehmen vorgesehen, so wie er es selbst von seinem Vater übernommen hatte. Die Meisterwerke produzieren in dritter Generation Leisten, Paneele und Bodenbeläge. Schritt für Schritt hat Anja Schulte erst den Einkauf des schnell wachsenden Unternehmens, dann den Bereich Finanzen und Controlling aufgebaut. Sie wurde erst Einkaufsleiterin, dann kaufmännische Leiterin und war von 2006 – 2010 geschäftsführende Gesellschafterin der MeisterWerke Schulte GmbH mit 600 Mitarbeitenden und einem Umsatz von 150 Millionen.
Als pragmatisches Organisationstalent tat sie all das, wozu ihr Vater, der leidenschaftliche Handwerker, keine Lust hatte.
„Er wurde mein größter Forderer und Förderer, denn er hat mir vertraut und in allem freie Hand gelassen. Man braucht Menschen, die an einen glauben und Fehler zu lassen, und man braucht Glück“, beschreibt sie ihre Erfolgsgeschichte.
Mit 38 Jahren entschied sie sich für den Ausstieg aus dem Familienunternehmen und einen beruflichen Neustart. Sie verkaufte ihre Unternehmensanteile an ihren Bruder, absolvierte den Bachelor of Science Psychologie, eine Trainerausbildung bei Iris Boneberg in St. Gallen sowie eine Integrative Coaching Ausbildung bei der Christopher Rauen GmbH und gründete ihr Unternehmen Sparringspartner. Mittlerweile setzt sie ihre Kompetenzen als Nachfolgerin, Geschäftsführerin, „Aussteigerin“, Psychologin, Coach und Gründerin erfolgreich zur Entwicklung von Führungskräften und Klärung von Konflikten in Unternehmen ein. Seit 2015 ist ihr Büro in der Innenstadt von Paderborn zu finden, dieses Jahr hat sie sich um einen weiteren Raum vergrößert. Der 60 qm große Besprechungsraum dient Workshops und einem „Meet and Eat Konzept“, um zu netzwerken. Sie reagiert somit auf die veränderten Bedürfnisse ihrer Klienten mit Wachstum und neuen Konzepten.
Seit 2020 hat Anja Schulte mit ihrem Unternehmen das „CrossMentoring OWL“ von Barbara Tigges-Mettenmeier übernommen, die sich in den Ruhestand verabschiedet hat. Unternehmen aus der Region Ostwestfalen-Lippe nutzen dieses Programm, um gezielt junge weibliche Nachwuchsführungskräfte bei ihrem beruflichen Aufstieg zu unterstützen. Dabei steht jeder jungen Frau (Mentee) eine erfahrene Mentorin für ein Jahr beratend zur Seite. In monatlichen Gesprächen geht es um strategische Karriereplanung, informelle Regeln im Berufsalltag und die persönliche Weiterentwicklung. Darüber hinaus vernetzt das Programm die teilnehmenden Mentees und Mentorinnen durch regelmäßige Events und vermittelt zielgruppenorientiert Wissen zu aktuellen Themen. Bislang konnten 296 karriereorientierte Frauen aus 149 regionalen Unternehmen sowie 154 Mentorinnen gewonnen und in das Programm eingebunden werden.
Anja Schulte hat das Programm vor fünf Jahren als Mentorin kennengelernt und sehr gerne die Weiterführung übernommen. Ihr Ziel ist es, das Programm mit einer Mitglieder- und Machtingdatenbank zu digitalisieren und zukünftig zwei Jahrgänge pro Jahr zu starten. „Wir wollen das Programm auf 120 Frauen pro Jahr erweitern. Die Nachfrage ist so groß, dass wir nicht alle Potentialträgerinnen aufnehmen können. Obwohl das Programm gut läuft, finden wir wenige Frauen in den oberen Hierarchieebenen in OWL. Wir unterstützen die Frauen, sichtbar zu werden, sich zu positionieren und sensibilisieren die teilnehmenden Unternehmen, ihre Mitarbeiterinnen und Gender Diversität in den Fokus zu rücken. Viele unserer Mentees steigen die Karriereleiter empor.“ Sie ist überzeugt, dass eine Frauenquote notwendig ist, damit sie zukünftig nicht mehr benötigt wird.
Als Voraussetzung für Erfolg nennt sie: loslegen und einfach tun, die eigene Stimme einbringen, aus Fehlern lernen, nicht alles persönlich nehmen sowie Konflikte, Beziehungen und Positionen zu klären. „Am Ende wird alles gut und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende,“ lautet ihre Devise. Ihre Tipps für karriereorientierte Frauen lauten: Ziele setzen, begeisterungsfähig den eigenen Weg gehen und sich Zeit zu nehmen für Reflektion, durchaus auch mit einem Mentor/einer Mentorin. „Um mein Ziel zu erreichen, muss ich wissen, worin mich mein Mentor/meine Mentorin unterstützen soll.“