Foto: Stefanie Kresse
Profil
Svenja Lassen ist Managing Director Germany beim Startup-Investoren-Netzwerk primeCROWD in Berlin. Dieses Netzwerk ermöglicht europäischen Startups in den Bereichen Digital Economy, Health und Sustainability den Zugang zu Kapital für nachhaltiges und internationales Wachstum, unterstützt Investoren bei Vorauswahl-, Prüfungs- und rechtlichen Prozessen von Investitionen und bietet Unternehmen Zugang zu innovativen Ideen.
Neben dem Wunsch, Innovationen zu fördern, ist es Svenja Lassen ein Anliegen, mehr Frauen über das Thema Startup-Investment zu informieren und für die Möglichkeiten dieser Einflussnahme zu begeistern – auch, um die Anzahl von Gründerinnen und Impact-Investments zu erhöhen.
Dazu hat sie in 2020 mit dem Lehrstuhl für Entrepreneurship der IUBH eine Studie zum Thema „weibliche Business Angels in Deutschland“ durchgeführt. Aufgrund der Ergebnisse startete sie bei primeCROWD das Female Investors Network (FIN) mit exklusiven Angeboten für weibliche Business Angels und Gründerinnen.
Das Investorinnen-Netzwerk mit mittlerweile etwa 100 Mitgliedern hat das Ziel, den Frauenanteil im gesamten Startup-Ökosystem zu erhöhen.
Die ausgebildete und langjährige Journalistin ist zertifizierter Business-Coach, erfahrene Moderatorin, Pitch-Trainerin und Vollblut-Netzwerkerin. Sie lehrt an Hochschulen, coacht in Unternehmen und moderiert Kongresse und Events. Die Sichtbarkeit von Frauen in Job und Karriere hat sie bereits während ihrer journalistischen Laufbahn unterstützt und begleitet.
Svenja Lassen im Gespräch mit Vera Wiehe über Startup-Investments, die Rolle von Investorinnen und Erfolgsfaktoren für weibliche Startups
Warum haben Sie das Female Investors Network gegründet?
In Europa sind nur acht Prozent der Business Angels weiblich – und selbst in unserem Netzwerk von Startup-Investoren sind Frauen noch in der Unterzahl. Ich wollte mich nicht mit den gängigen Vorurteilen zufriedengeben, die lauten, dass Frauen sich nicht für Finanzen interessieren und nicht besonders risikoaffin sind. Wir wollen die Situation verändern, weil wir überzeugt sind, dassDiversität ein wesentlicher Faktor für Erfolg ist.
Deshalb haben wir im Frühjahr 2020 mit dem Lehrstuhl für Entrepreneurship der IUBH ein wissenschaftliches Forschungsprojekt zum Thema „Weibliche Business Angels in Deutschland“ durchgeführt und spannende Ergebnisse erhalten:
63% der befragten Frauen haben bereits darüber nachgedacht, in Startups zu investieren.
67% schrecken nicht vor dem Risiko von Startup-Investments zurück, ihnen fehlen lediglich Kenntnisse zum Prozess. 71% kennen keine für sie geeigneten Startups, in die sie investieren könnten, 68% möchten mit ihrem Investment Gutes tun und 63% wollen Gründerinnen unterstützen. Das bedeutet zusammengefasst: Potentielle Investorinnen interessieren sich, wissen aber nicht, wie der Prozess funktioniert und wo sie die Start-ups finden. Außerdem haben sie geglaubt, sie müssten höhere Investitionen tätigen.
Bislang gab es auf dem Markt kein Angebot für diese Zielgruppe. Deshalb habe ich im April 2020 das Female Investors Network als Unternetzwerk bei der primeCROWD gegründet. Wir haben gezielte und exklusive Angebote für aktive Investorinnen und Business Angels sowie für Frauen, die in das Investorengeschäft einsteigen und den Umgang lernen möchten.
Seither sind wir gut gewachsen mit mittlerweile knapp 100 Mitgliedern. Um die Anzahl weiblicher Business Angels und Gründerinnen zu erhöhen und Wissen zu vermitteln, bieten wir exklusive Events, wie unsere monatlichen Lunch- & Learn-Termine zum Wissensaustausch und Netzwerken.
Und wir veranstalten unsere großen Female Founders Pitches, mit denen wir Start-up und Investorinnen zusammenbringen.
Was für Frauen engagieren sich in Ihrem Netzwerk?
Dabei sind viele selbständige Unternehmerinnen, führende leitende Angestellte, erfahrene Inverstorinnen, Gründerinnen und Frauen, die sich für das Thema interessieren. Etwa ein Drittel der Mitgliedsfrauen sind selbst bereits als Investorin aktiv, die weiteren wollen das Investment lernen. Außerdem haben wir prominente Testimonials wie Dagmar Wöhrl, Verena Pausder oder Prof. Susanne Porsche, die unsere Initiative unterstützen.
Mein Ziel ist, dass unser Netzwerk weiter anwächst und die Assetklasse Startup-Investments bekannter wird. Wir wollen das Wissensdefizit bekämpfen und erreichen, dass alle das Investment in Start-ups als normale und typische Finanzierungsform kennen, vergleichbar mit ETFs, Aktien und Immobilien. Investitionen sind bei uns ab 10.000 Euro möglich, weil wir unsere Investments in einer Treuhandgesellschaft poolen. Wir wollen mit primeCROWD das Investieren demokratisieren und für viele zugänglich machen.
Warum gibt es so wenige weibliche Startups?
Laut den Zahlen des Female Founders Monitors liegt ihr Anteil noch immer bei nur knapp 16 Prozent und ist im Vergleich zum Vorjahr kaum angestiegen. Ein wichtiger Grund ist: auch um Startup-Bereich sind die familiären Aufgaben zwischen Frauen und Männern ungleich verteilt. Diese Doppelbelastung trägt auch dazu bei, dass weniger Frauen eigene Startups gründen.
Gründerinnen haben häufiger ein Studium in den Geistes- und Sozialwissenschaften absolviert und sind in den Naturwissenschaften stark vertreten. Im Bereich der Informatik und der Ingenieurswissenschaften, aus denen heraus häufig gegründet wird, sind sie stark unterrepräsentiert.
Finanzierungsinstrumente wie Business-Angels und Venture Capital-Investitionen werden ebenso wie staatliche Fördermittel wesentlich häufiger von Männer-Teams genutzt. Studien belegen, dass Frauen auch im Bereich Finanzierung mit Benachteiligungen konfrontiert werden. Investoren stellen an Gründerinnen bei vergleichbarer Qualität und einem ähnlichen Kapitalbedarf andere Anforderungen als an Gründer: Männer erhalten meist die Möglichkeit, über ihre Visionen für die Zukunft zu sprechen – Frauen sollen dagegen häufiger Auskunft zum aktuellen Kundenstamm geben und über konkrete Finanzprognosen sprechen.
Stereotypische Rollenbilder sind leider noch tief in unserer Kultur verankert und zeigen sich eben auch im Startup-Ökosystem. Es gibt viel zu wenige Role-Models für gründungsinteressierte Frauen. Und wir müssen ihnen auch zeigen, dass es Frauen gibt, die bereit sind zu finanzieren und ein starkes Interesse haben, gerade in Gründerinnen zu investieren.
Und wir müssen männliche Investoren mit Zahlen, Daten und Fakten überzeugen. Wir wissen, dass der Return on Invest bei Frauen höher ist und dass gemischte Teams besser performen. Es sind unterschiedliche Perspektiven notwendig, um über Innovationen und Qualität zu entscheiden. Fast jedes Produkt und jede Dienstleistung wird von Frauen als Kundinnen benutzt. Kein Geldgeber kann es sich leisten, auf die Hälfte der Nutzerschaft zu verzichten.
Was sind die Voraussetzungen für eine Finanzierung durch primeCROWD?
Wir unterstützen in drei Fokusbereichen: Digital Economy, Health Tech und Med Tech, sowie Sustainablitiy. Wir unterscheiden zwischen Seed-Phasen und Growth-Phasen. Voraussetzung ist, dass es sich um ein fertiges Produkt handelt und bereits zahlende Kunden vorhanden sind. Mit unserem Netzwerk können wir Investment-Summen zwischen 300.000 und zwei Millionen Euro abdecken.
Wir prüfen ungefähr 1000 Startups pro Jahr, führen aber letztendlich nur etwa 10 – 15 Kampagnen durch, hinter denen ein sehr hoher Aufwand in Bezug auf Prüfung, Begleitung, Durchführung der Finanzierung und Vertragsabschlüsse etc. steht.
Was sind Erfolgsfaktoren für Frauen, die Aufsteigen oder ein Start-up gründen wollen? Welche Tipps haben Sie?
Wichtig ist es, sich die richtigen Leute als Unterstützer zu suchen sowohl im Unternehmen als auch externe Mentoren. Wir brauchen Menschen, die unsere Werte teilen, die an uns glauben und unsere Stärken zu stärken. Um Erfolg zu haben muss man sich seiner Werte bewusst sein. Man muss wissen, wofür man selbst steht, in welche Richtung man will, ob die Branche und das Unternehmensumfeld zu einem passen.
Außerdem ist es notwendig, sich konkrete Ziele zu setzen. Diese dürfen nicht zu klein sein und müssen regemäßig hinterfragt werden. Ziele sollten klar ausgesprochen und eingefordert werden, damit das Umfeld Bescheid weiß. Viele Frauen vergessen ihre Ziele im Alltagsstress. Es ist wichtig, klar und deutlich zu sagen, was man will: von allein erhält man weder die Gehaltserhöhung noch das gewünschte Projekt. Frauen müssen unbedingt lernen, für sich einzustehen und ihre Wünsche einzufordern.
Frauen sollten sich trauen, herausfordernde Angebote anzunehmen und sollten immer erst zusagen und sich nicht durch die Frage blockieren, ob sie sich die Aufgabe zutrauen. Wir wachsen mit unseren Aufgaben nur außerhalb der Komfortzone. Sollte es einen triftigen Grund zur Absage geben, dann nicht ohne eine Frau aus dem eigenen Netzwerk zu empfehlen. Das zeigt, dass man ein gutes Netzwerk hat und wirkt positiv auf einen selbst zurück.
Wie wichtig sind Netzwerke?
Ich bin absolut überzeugte Netzwerkerin. Alle meine Jobs habe ich aus dem eigenen Netzwerk erhalten. Ich bin glücklich, dass ich aktuell mit meiner Leidenschaft für das Netzwerken Innovationen zur Realisierung verhelfen kann. Ich ermutige jede, sich beruflich zu vernetzen. Dabei geht es nicht nur um Sympathie, sondern um gegenseitige Unterstützung. Mein wichtigster Aufruf an Frauen ist der gegenseitige Support. Wir können nur gemeinsam viel erreichen. Wenn wir eine bestimmte Position erreicht haben, halte ich es für unsere Aufgabe, andere Frauen nachzuholen, um eine kritische Masse zu erreichen. Es macht glücklich, wenn man andere stärken und befähigen kann.
Genauso wichtig ist es, für die eigenen Themen einzutreten und sichtbar zu werden. Dazu gehört es sich die Fragen zu stellen: Welches Thema kann ich besetzen, wie positioniere ich mich als Expertin und welche Möglichkeiten kann ich nutzen, um gesehen zu werden.