Frauen sind im technischen Handwerk deutlich unterrepräsentiert. Das gilt insbesondere für den Bereich Metallbau. Deshalb ist Manuela Boudin ein ganz besonderes Vorbild: Als Quereinsteigerin hat sie nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemannes im Jahre 2019 das von ihm gegründete Metallbau-Unternehmen, die RBM GmbH Bielefeld übernommen und führt diese Firma nun mit 10 Mitarbeitenden sehr erfolgreich weiter.
Die heute 62-Jährige eröffnete zunächst nach ihrer Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau bei dem ehemaligen Bielefelder Unternehmen Leineweber gemeinsam mit einer Freundin eine Boutique in der Bielefelder Marktpassage. Nach dem Verkauf des Modegeschäfts war sie 28 Jahre lang als Fingernagelstylistin und Kosmetikerin selbstständig tätig. Nebenberuflich hat sie zunächst das von ihrem Ehemann 1996 gegründete Einzelunternehmen Metallbau Ralf Boudin im Bereich der Buchführung unterstützt. 2018 errichtete ihr Ehemann die RBM GmbH, in der Manuela Boudin ebenfalls im Büro mitwirkte.
Manuela Boudin im Gespräch mit Vera Wiehe über ihren Quereinstieg als Unternehmerin im Metallbau
Wie konnten Sie diese radikale Lebenskrise meistern?
2019 ist mein Mann sehr plötzlich während einer Dienstreise verstorben. Unmittelbar danach begann für mich persönlich eine sehr schwierige Zeit. Wären hier nicht meine Familie, Freunde/Freundinnen und Unterstützer an meiner Seite gewesen, ich weiß nicht, ob ich das je geschafft hätte. Ich benötigte ein halbes Jahr Zeit, um mich zu sortieren und um für mich zu entscheiden, das Metallbau-Geschäft meines Mannes weiterzuführen. Ich wickelte das personenbezogene Einzelunternehmen Metallbau Ralf Boudin ab, und legte den Grundstein für die Weiterführung der RBM GmbH.
Anfangs hatte ich wenig Ahnung von Personal- und Geschäftsführung. Auch fehlte mir Wissen und Erfahrung, um für die Metallbaufirma Angebote zu schreiben und Verträge abzuschließen. Die Gespräche mit Kunden und Geschäftspartnern sowie die fachliche Koordination verschiedenster Gewerke und Baustellen waren Neuland für mich. Sie müssen sich das so vorstellen: Hätte damals ein Kunde oder Partner ein Vertragsangebot beispielsweise für die Errichtung einer 1200 qm Corten-Fassade einholen wollen, ja hallo, da hätte ich passen müssen.
Fast alle Mitarbeiter der von mir übernommenen Metallbaufirma sind geblieben; sie stehen zu mir und der Firma, und ich fühle mich für ihre Arbeitsplätze verantwortlich. Mein Schiegersohn, der gerade seinen Metallbaumeister macht, arbeitet auch hier. Er unterstützt mich vor allem in fachlicher Hinsicht und ist als zentraler Ansprechpartner für die Bauleitung tätig.
Mein Mann war mit seiner Firma unter anderem für das Bauunternehmen Goldbeck als Subunternehmer tätig. Die Firma Goldbeck hat uns im Übergang unterstützt. Es gab kompetente und freundliche Ansprechpartner, die mir nach der Übernahme der Firma meines Mannes bei allen Fragen weitergeholfen haben. Auch gab es einen Mentor, der mich unterstützt und fachlich sehr viel beigebracht hat. Auch die Betriebsberatung der Handwerkskammer Bielefeld war uns ist ein wichtiger Ansprechpartner, der mich bei allen Fragen rund um das Metallbauunternehmen sehr unterstützt.
Wo stehen Sie heute?
Heute, nach etwa einem halben Jahr habe ich das Gefühl, ich kann das. Ich kann das Unternehmen erfolgreich weiterführen. Und wenn ich heute das Profilbild einer Fassade sehe, weiß ich inzwischen sehr genau, woraus diese besteht und was ich bei der Abgabe von Angeboten für eine solche Fassade alles bedenken muss.
Wichtig war, dass alle Mitarbeiter zu mir gestanden haben. Lediglich ein langjähriger Vorarbeiter meines Mannes arbeitete gegen mich. Ich habe mich von ihm getrennt, umstrukturiert und anderen mein Vertrauen geschenkt.
Vor meinen ersten Verhandlungen mit der Firma Goldbeck war ich sehr aufgeregt, es sollte niemandem auffallen, wie unsicher ich war und wieviel ich vor allem in fachlicher Hinsicht noch nicht wusste. Es hat jedoch geklappt, ich hatte meinen ersten Erfolg im Bereich Beschilderung und dabei ist es nicht geblieben. Mittlerweile hat die RBM GmbH unter meiner Führung langfristige Rahmenverträge mit Goldbeck für Beschilderung und Treppenhäuser in Parkhäusern abgeschlossen und ist speziell im Fassadenbau auch für andere Unternehmen bundesweit tätig. Es kommt immer mehr hinzu. Aufgrund unserer professionellen und zuverlässigen Arbeit werden wie inzwischen von Niederlassungen angefragt, von denen wir zuvor noch nie etwas gehört haben.
Wir sind bekannt dafür, dass wir mit viel Kompetenz, hoher Professionalität, ohne Mängel und ohne Probleme Spezialfassaden vor allem im Parkhausbereich erstellen. Dazu gehören z.B. sogenannte Corten-Fassaden, die gewässert werden, um eine sichtbare Patina durch Korrosion zu erzeugen. Oder wir erstellen ein Parkhaus mit einem Bildmotiv in der Fassade, indem wir Bauelemente so anordnen, dass am Ende ein Bild entsteht.
Ich selbst fahre auch zwischendurch mit Arbeitshelm die Baustellen ab und schaue nach, ob alles läuft. Zudem organisiere ich regelmäßig Mitarbeiterbesprechungen vor und nach einem Projekt. Jedes Projekt ist anders und hat seine schönen Seiten. Und am Ende sind wir sehr stolz, wenn ein Objekt vertragsgemäß fertiggestellt ist. Dann feiern wir auch unsere Erfolge, z.B. indem wir gemeinsam grillen.
Was sind Ihre Ziele?
Wir betreuen in der Regel bundesweit drei Baustellen parallel, das sind drei Bautrupps mit drei Vorarbeitern. Wir müssen vertraglich festgeschriebene Lieferzeiten und Projektzeiten einhalten. Im Regelfall bearbeiten und montieren wir auf unseren Baustellen vorgefertigte Teile, die von der Firma Goldbeck geliefert werden. So läuft alles super und wir verzetteln uns nicht. Das wollen wir so weiterführen: Kompetent, professionell und zuverlässig.
Betrachtet man die Auftragslage, so könnten wir gut Personal aufstocken und das Unternehmen vergrößern. Aufgrund des derzeit bestehenden Arbeitskräftemangels sehe ich jedoch momentan kaum eine Möglichkeit dazu.
Mein Arbeitstag ist lang. Um die unterschiedlichen Bauvorhaben von Woche zu Woche vertragsgemäß, sicher und erfolgreich abwickeln zu können, muss im Büro und auf der Baustelle viel erledigt werden. Ich trage Verantwortung meinen Mitarbeitern und deren Familien gegenüber. Ich sehe zu, dass Mitarbeiter das notwendige Werkzeug und zur Verpflegung Getränke auf dem Wagen haben, stelle professionelle Arbeitskleidung mit Firmenlogo zur Verfügung und kümmere mich um die persönliche Schutzausrüstung. Außerdem habe ich hier noch immer die Worte meines Mannes im Ohr: Wer den ganzen Tag hart arbeitet, der hat auch eine vernünftige Unterkunft verdient. Hierauf lege ich als Geschäftsführerin der RBM GmbH sehr großen Wert. So stelle ich sicher, dass meine Mitarbeiter motiviert sind und sich stets mit ihrer Firma identifizieren.
Was sind Ihre Erfolgseigenschaften?
Ich bin stolz auf alles, was ich gelernt habe und bin mir inzwischen sicher, dass ich alles schaffen kann.
Ich fühle mich mit dem Namen Ralf Boudin Metallbau sehr eng verbunden und will dieses Geschäft unbedingt erhalten. Und ich habe Spaß, dieses Unternehmen weiterzuführen. Beharrlichkeit und Verantwortungsgefühl sind wohl maßgebende Erfolgseigenschaften, die mir dabei helfen. Wenn es schwierig wird, gebe ich nicht auf. Und wenn ich keine Antwort weiß, gehe ich auch mal schlafen mit der Gewissheit, dass ich am nächsten Morgen genau weiß, was ich zu tun habe.
Es war ein langer Weg, aber ich fühle mich inzwischen wohl dort, wo ich bin; und es ist gut so wie es jetzt ist. Wenn ich mal aufhöre, aus welchen Gründen auch immer, so möchte ich die Firma gerne übergeben. Sie soll dann unter dem Namen RBM weiterlaufen.
Wie sehen Sie die Karrierechancen von Frauen im Handwerk für den technischen Bereich?
Diese Branche ist bislang für Frauen schwierig. Es gibt Ingenieurinnen und Architektinnen als Bauleiterinnen und Frauen im Einkauf. Offene Türen für Frauen sehe ich bei der Firma Goldbeck. Als Subunternehmen verhandeln wir auch mit einigen Frauen. Ich habe den Eindruck, dass Firmen in sog. Männerbranchen mittlerweile umdenken und auch mehr Frauen in unterschiedlichen Positionen zulassen wollen. Viele Frauen trauen sich allerdings nicht, weil sie nicht glauben können oder wollen, dass diese Männerbranchen ihnen gegenüber offen sind. Ich meine, vielen Frauen fehlt das Selbstvertrauen in diesem Bereich. Wenn ich an meine erste Zeit denke, ich war sehr nervös und gestresst als es darum ging, den ersten Rahmenvertrag auszuhandeln. Dennoch habe ich es geschafft und der nächste Rahmenvertrag folgte prompt. Es ist wichtig, die Dinge einfach zu tun und stets bereit zu sein, dazuzulernen. Dann kommt Sicherheit und Routine von ganz allein, so traut man sich mehr und mehr und das Geschäft läuft.
Was sind Ihre Karrieretipps für Frauen?
Das Wichtigste ist Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Frauen müssen mit viel Selbstwertgefühl selbstbewusst davon ausgehen, dass sie neben einem Mann jederzeit und überall bestehen können. Damit habe auch ich meine Unsicherheiten überspielt und einfach gehandelt. Wenn man sich mit dieser Einstellung etwas vornimmt, schafft man das auch. So führe ich meine Metallbaufirma in diesem Sinne nun schon seit zwei Jahren sehr erfolgreich.