Vera Wiehe im Gespräch mit Hanna Drabon – Mitglied der Geschäftsleitung, comspace GmbH & Co. KG, über:
„Corona und die Auswirkungen auf die Zukunft der Arbeit“
Portrait
Hanna Drabon ist Mitglied der Geschäftsleitung für den Bereich Business Design und Innovation der comspace GmbH & Co. KG. Die Agentur bietet mit 105 Mitarbeitenden komplexe Webprojekte im Enterprise Bereich für mittlere und große Unternehmen. Hanna Drabon versteht sich mit ihrem Team als interne Beratungsstelle und unterstützt die Kollegen*innen bei neuen Produktideen und Veränderungsprozessen.
Bis 2019 war Hanna Drabon Intrapreneurin im Business Development Management bei comspace. Sie betrieb die Gründung und Umsetzung der digitalen Plattform talee, das ´talented employee network` als eigenständiges Produkt, für die comspace 2016 mit dem Personalmanagement Award des Bundesverbandes der Personalmanager ausgezeichnet wurde.
Die umtriebige 34-Jährige hat früh gelernt wie eine Unternehmerin zu denken und zu handeln. Hanna Drabon startete bei comspace als Projektmanagerin internationaler Web-Projekte. Berufsbegleitend hat sie an der Fachhochschule des Mittelstands den Master of Business Administration erworben.
Hanna Drabon ist sich sicher, dass Frauen ihre Karrierewünsche meistern können. Der alltägliche Sexismus der Gestrigen, ob als Kompliment getarnt oder offen formuliert, ärgert sie sehr. Sie ist überzeugt, dass Gleichberechtigung eine Gemeinschaftsaufgabe ist. Es gehe nicht darum die Frauen anzupassen, sondern ein Umfeld zu schaffen, in dem alle gemeinsam frei agieren können.
Welche Aufgaben hat der Bereich „Business Design und Innovation“?
Die Themen Innovation und Einbeziehung der Mitarbeitenden in Veränderungsprozesse ist für comspace so wichtig, dass es dafür eine eigene Business Unit mit Einbindung in die Geschäftsleitung gibt. Mit einem Team von fünf Kollegen*innen bin ich auf das Design von unternehmerischen Abläufen, Produkten und Dienstleistungen spezialisiert. Wir sorgen dafür, dass Innovationsideen der Kollegen*innen nicht in der Schublade landen und moderieren den Prozess von der Idee bis zur Umsetzung im Unternehmen. Wir verstehen uns als Beratungsstelle und internen Support, von der Prozessanpassung über das neue Ideen einbringen bis hin zum Pitchen vor der Geschäftsleitung und schaffen die Voraussetzungen dafür, dass die Kollegen*innen und das Unternehmen gut arbeiten können. „Wenn Leute sich wohlfühlen, arbeiten sie gut“ lautet eine verkürzte New Work Botschaft. Wir erweitern den Ansatz zu „gute Arbeit führt zu Wohlbefinden im Team“.
Wie bewältigt comspace die Corona-bedingten Veränderungen?
In der Coronakrise musste sich flexibles, vertrauensbasiertes Arbeiten auf einmal überall beweisen. Das war für uns in dem Umfang auch neu, mit allen 105 Kollegen*innen von heute auf morgen remote zu arbeiten. Dabei hat uns natürlich geholfen, dass wir schon lange mit kollaborativen Tools arbeiten und dass wir es gewohnt sind, selbstorganisiert im Team über Arbeitszeit- und Ort mit zu bestimmen.
Obwohl wir bei comspace mit den digital arbeitenden Teams bereits vor Corona gut aufgestellt waren, bestand die erste Herausforderung darin, die Kommunikationswege dauerhaft zu gestalten und den Zusammenhalt zu fördern. Wir haben mit vielen unterschiedlichen Meeting-Formen darauf reagiert. Neben diversen Dailys oder Weeklys, gibt es eine Menge Möglichkeiten der Kommunikation, z.B. ein Mal pro Woche einen Call mit allen, eine Geschäftleitungs-Sprechstunde für Einzelthemen oder die kulturellen „fast in echt“-Meetings wie das digitale Freitagsbier.
Aktuell ist das wichtigste Thema natürlich das Fehlen des persönlichen Austauschs im Büro und die Frage wie und welchen Teil wir davon genau abbilden wollen. Es geht darum, was die Essenz von Büro ist: Welche Meetings brauchen wir? Wie können Entscheidungen gefällt werden? Derzeit ist die Aufgabe Fragen zu stellen, zu moderieren und mögliche Antworten zu Entscheidungen und Umsetzungen zu bringen.
Was ist die größte Herausforderung?
Mittlerweile haben wir uns an das neue Normal gewöhnt und probieren neue digitale Formate aus. Die Veränderung der Kommunikationsform war eine der größeren Herausforderungen, die wir direkt angegangen sind. Der Ausgleich der unterschiedlichen Lebensbedingungen eine andere. Wir müssen den Kollegen ermöglichen trotz unterschiedlicher Ausgangslagen so gut wie möglich arbeiten zu können. Ich zum Beispiel habe einen extra Raum zu Hause, wo ich in Ruhe arbeiten kann. Andere müssen sich mit drei Kindern in einem Wohnzimmer arrangieren. Diese Kollegen können unter strengen Hygienebedingungen ins Büro – dürfen aber gleichzeitig nicht durch persönliche Anwesenheit bevorteilt sein. Die Meeting- und Bürobedingungen mussten dementsprechend angepasst werden.
Natürlich vermissen wir alle die Kollegen und das soziale Miteinander, aber dennoch wissen wir warum wir das tun – als Schutz für unsere Familien und die Gemeinschaft. Diese derzeitigen Einschränkungen nehmen wir daher als gegenseitige Fürsorge in Kauf.
Wo steht Comspace in drei Jahren?
Wir sind auf dem Weg zur Agilität, das ist ein dauerhafter, kontinuierlicher Prozess der Veränderung. Was zukünftig passieren wird, wissen wir nicht. Meine größten Learnings der letzten Monate waren, dass es in Ordnung ist, Lernprozesse transparent zu machen und sich zu korrigieren, wenn man es besser weiß. Wir passen uns an die ständige Veränderungsnotwenigkeit an. Unsere Vision ist es, Menschen, Daten und Wissen miteinander zu verbinden. Dieser Aufgabe werden wir uns kontinuierlich stellen.
In unserer Agentur war vorher schon alles auf Individualisierung und Digitalisierung ausgelegt, dieser Prozess wurde durch Corona lediglich beschleunigt. Ich glaube nicht, dass wir jemals zu den alten Strukturen zurückgehen können.
Meine obligatorische Abschlussfrage: Was bedeutet die Digitalisierung für die Chancen von Frauen in Unternehmen?
Digitalisierung ist für mich mittlerweile keine gesonderte Aufgabe oder Entwicklung mehr. Sie ist normaler Teil der Gesellschaft und jedes Unternehmens. Daher ist für mich die generelle Frage welche Chancen bieten Unternehmen Frauen im Allgemeinen. Und auch Frauen sind für mich keine “Sonderrolle” sondern immerhin etwa 50% der Gesellschaft.
Ich möchte die Frage daher etwas umformulieren: Welchen Beitrag liefern Unternehmen, um Diskriminierung zu stoppen?
Diskriminierung zu begegnen ist eine kulturelle Gemeinschaftsaufgabe. Und damit eine Frage aller Kollegen. Ich habe Kollegen, die nicht in klassische Männer-Klischee-Rollen wollen und dementsprechend auch nicht die klassische Klischee-Frauen-Rolle als gesetzt annehmen. Es geht nicht um Anpassung der Frauen ans System, sondern darum eine Gemeinschaft zu schaffen, in die sich alle gleichberechtigt einbringen können. Dabei sind Vorbilder wichtig (männlich wie weiblich). Bei comspace haben wir zwar weniger Frauen, aber mit ca. 30% Frauenanteil sind wir für ein technisches Unternehmen gut aufgestellt. Zudem sind die Frauen, die bei uns arbeiten auch in Führungspositionen zu finden, zum Beispiel als Technical Lead oder wie bei mir als Teil der Geschäftsleitung, was für mich beweist, dass die fehlende Teilhabe nicht im generellen Verhalten der Frauen begründet ist.
#Stopfixingthewoman