Hinweis: Diese Talkrunde hat sich an den Austausch zum Thema Gender 4.0 – Chancen und Risiken der Digitalisierung für Frauenarbeit angeschlossen.
Almut Rademacher: Vielen Dank für diese spannenden Statements. Ich würde gleich gerne anschließen an die Thematik der Soft Skills. Wir schreiben Frauen Soft-Skills zu: sie sind empathisch, sie können Change-Prozesse besser moderieren und die Menschen mitnehmen. Ich stelle an die Runde die Frage: Müssen Frauen sich mehr an die machtbesetzte Männerwelt angleichen? Oder können wir auch auf ganz anderen Wegen zu Veränderungen kommen und die Chancen der Digitalisierung im Hinblick auf Partizipation und Transparenz nutzen? Wie können wir damit eigentlich umgehen?
Swetlana Franken: Wenn man über Grundlagen der Autorität in einer Führungsposition diskutiert, werden normalerweise formale Autorität, fachliche Autorität, persönliche Autorität unterschieden. Ich glaube, Männer neigen vor allem dazu, formale Autorität zu besitzen, Stichwort Pokerface. Frauen können das durch fachliche und persönliche Autorität erreichen. Meiner Meinung nach brauchen wir uns auf keinen Fall zu verwandeln, sondern einfach anders Macht ausüben. Macht wird nicht überflüssig, sie wird auch weiterhin bestehen, aber weniger auf Grund der Position, sondern mehr auf Grund der Expertise und menschliche Eigenschaften. Und das ist unsere Stärke als Frauen.
Annelie Buntenbach: Frauen müssen in einer digitalisierten Welt nicht nur viel mitbringen, sondern auch wirklich an führender Stelle mitgestalten. Man kann und muss hier ermutigen und Wege ermöglichen.
Es wäre ja schön, wenn Macht keine Rolle mehr spielen würde. Ich sehe das nicht so. Macht erscheint teilweise in anderer Form. Nehmen wir das Beispiel Projektarbeit. Die Leute bekommen einen Auftrag, den sie in festgelegter Frist in Eigenverantwortung bearbeiten, oft mit zu geringen Ressourcen. Man zeigt, was man kann und liefert das Projekt fertig in der gesetzten Frist ab, erhält dann eine schicke Belobigung und dann kommt das nächste Projekt. Das kann zu Burnout führen. Deswegen bin ich ein wirklicher Fan davon, dass beim Arbeitszeitgesetzt klar ist, wir brauchen auch ununterbrochene Ruhezeiten.
Elena Werning: Wir müssen die Ebenen, die sich immer wieder vermischen, unterscheiden. Das eine ist die Technologie, die wir haben. Wir können nicht immer mit der Frage nach dem Nutzen beginnen und dann die Technologie entwickeln, so läuft die Welt nicht. Wenn wir uns die KI ansehen, wir in Europa spielen überhaupt keine Rolle mehr. Die Chinesen und Amerikaner haben das Rennen entschieden. Und wenn wir noch eine Rolle spielen wollen in dieser Welt, müssen wir das Ding mitgehen.
Und zum Thema Frauen und Männer finde ich diese Diskussion „Wer kann was besser“ so überflüssig. Ich glaube, es gibt weder die Frau noch gibt es den Mann. Es kommt auf die Persönlichkeit an. Ich finde es wichtig zu sagen, Digitalisierung schafft erstmal die Möglichkeit, dass beide teilhaben können. Natürlich finde ich es gut, wenn Frauen Verantwortung tragen. Ich finde aber nicht, dass wir auf diese Vergleichsebene gehen dürfen und wir sollten uns kritisch fragen: Machen es Frauen besser? Ich sehe zum Beispiel die Gefahr, dass Frauen ihre Erfahrungen übertragen. Über 60 % der Frauen sind der Überzeugung, dass sie doppelt so viel leisten müssen wie ein Mann. Wenn eine Frau in der Führungsposition jetzt jemanden befördern soll, besteht die Gefahr, dass sie genauso viel von anderen erwartet, wie sie es von sich gewohnt ist.
Michaela Evans: Weil jetzt gerade das Stichwort Personalarbeit fiel. Ich stelle mir die Frage, wie wandeln sich eigentlich Formen der Macht. Und ist am Ende nicht der Algorithmus das Instrument, durch das Macht mit einprogrammiert und fortgeschrieben wird. In der Personalarbeit haben wir keinen Beleg dafür, dass durch Algorithmen Personalarbeit gleichstellungsorientierter wird, weil es immer an der Frage liegt, wie ist das Ding programmiert. Da wird Macht einprogrammiert und es ist noch lange kein Gleichstellungsprojekt, nur weil es technikgestützt läuft und nicht mehr in den klassischen Formen der Personalauswahl. Das zweite, was mich wirklich etwas aufregt ist, wir sind gerade auch hier dabei dieses ganze Thema Digitalisierung, Frauen in der Arbeitswelt zum Eliteprojekt zu machen. Es geht doch nicht nur um Führungskräfte und es geht doch nicht immer um Chefinnen. Aber es geht um ganz viele Bereiche, in denen Frauen heute beschäftigt sind. Viele Frauen haben Angst davor, was mit ihrem Arbeitsplatz in Zukunft passiert.
Almut Rademacher: Kennen Sie ein gutes Beispiel, wie es gelungen ist, die Menschen von Anfang an in den Transformationsprozess einzubinden?
Swetlana Franken: Auf einer Konferenz habe ich Beispiele über die Einführung von VR-Brillen gehört. Bei einem Mobilproduzenten hat man 100 VR-Brillen gekauft hat, die dann in der Produktion eingesetzt worden sind. Anschließend hat Dann hat der Betriebsrat interveniert, weil es gesundheitsschädlich und ermüdend sei, die Brillen acht Stunden täglich zu tragen. Nun liegen alle Brillen im Lager.
Swetlana Franken: Auf einer Konferenz habe ich Beispiele über die Einführung von VR-Brillen gehört. Bei einem Mobilproduzenten hat man 100 VR-Brillen gekauft hat, die dann in der Produktion eingesetzt worden sind.Anschließend hat Dann hat der Betriebsrat interveniert, weil es gesundheitsschädlich und ermüdend sei, die Brillen acht Stunden täglich zu tragen. Nun liegen alle Brillen im Lager. Bei einem anderen Unternehmen wurden erst verschiedene Varianten wie Tablet, Brille oder Smartphone von den Beteiligten getestet. Die Menschen, die diese Geräte nutzen, wurden gefragt und anschließend bei der jeweiligen Nutzung beobachtet und Erfahrungen erhoben. Erst nach diesem Schritt wurden dann Tablets für alle beschafft und sind nun im Einsatz.
Annelie Buntenbach: Ich finde das ist ein gutes Beispiel dafür, wie es dann auch klappen kann. Es müssen einfach diejenigen, die damit arbeiten sollen, gefragt und einbezogen werden. Da muss auch der Betriebsrat mit an den Tisch und dann kann man das zusammen gut entwickeln. Jeder weiß dann, zu welchem Zweck etwas gemacht wird. Und man hat die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen.
Almut Rademacher: Frau Buntenbach, ich habe gesehen, dass sie bei diesen Lern- und Experimentierräumen Arbeit 4.0 am Anfang dabei waren im Auftrag des Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Das Thema treibt uns ja auch alle schon länger um. Können Sie daraus schon etwas berichten? Man sucht sich fünf spannende Leute aus, bringt die in einem Raum zusammen, die Ergebnisse werden dann ins Unternehmen gegeben. Oder?
Annelie Buntenbach: Das funktioniert so, dass man Projekte macht, an denen Unternehmen, Gewerkschaften und Betriebsräte unter wissenschaftlicher Begleitung beteiligt sind. Das Ziel ist, gute Ergebnisse entsprechend weiterzuverbreiten. Es gibt im Moment noch nicht den ganz großen
Rücklauf. Aber das werden wir genauso im Auge behalten wie die Forschungsprojekte im Bereich Arbeitsforschung zum Thema: Wie verändert die Digitalisierung die Arbeitswelt. Aber das hat Laufzeiten von 3- 4 Jahren bis man spannende Ergebnisse hat.
Michaela Evans: Wir machen so ein Experimentierraumprojekt im Krankenhaus. Es geht um die
sozialpartnerschaftliche Gestaltung betrieblicher Digitalisierungsstrategien. Davon sind Krankenhäuser zum Teil noch sehr weit entfernt. Eine der wichtigsten Erfahrungen ist es, das Thema Digitalisierung nicht nur immer aus der Akzeptanzperspektive sehen zu dürfen. Worum es geht, ist das Aneignen und aus der berufsfachlichen Perspektive zu sagen, welche Technik brauchen wir, welche nützt uns was. Und die andere spannende Erfahrung ist, dass selbst IT-ler im Unternehmen oder die Geschäftsführung zum Teil nicht wirklich wissen, wie man einen Digitalisierungsprozess umsetzt, weil es immer nur als Technikprojekt gedacht wird. Alles, was mit Qualifizierung und Arbeitsorganisation zu tun hat, wird nicht mitgedacht. Bei einem großen Krankenhausträger führt das dazu, dass die zweistellige Millionenbeträge
in den Sand setzen, weil die Beschäftigten die Technik nicht nutzen.
Elena Werning: Also ich würde sagen, auch hier sind es immer Einzelbeispiele und ich glaube auch gerade dieses Thema: wie nehmen wir Menschen mit? ist gerade ein großes Diskussionsthema. Aber ist das denn jetzt neu? Es war schon immer so, dass die Belegschaft Neuerungen mittragen und ihre Ideen von Anfang an mit einbringen sollte. Das ist der Sinn einer modernen Führungsphilosophie. Das ist ein ganz großer Prozess, aber das können wir nur sukzessive umwandeln. Der Grundgedanke ist, am Anfang zu beobachten, was braucht der Kunde, worüber reden wir eigentlich. Und das müssen wir auch verstärken. Digitalisierung ist nämlich auch ein Mindset, das bei allen umgesetzt werden muss.
Almut Rademacher: Es gibt seit einiger Zeit diese „New Work Bubble“ Themen. Es geht darum,
die Arbeitsformen an die Digitalisierung und die jetzige moderne Welt anzupassen. Die Stichworte sind Mitbestimmung, Partizipation, selbstverantwortliches Arbeiten, Home-Office. Es gibt Unternehmen, die
legen offen, wer was verdient, die wählen jedes Jahr neu den Chef. Ist das nicht eine Chance auch für die Gesellschaft insgesamt eine andere Art der Arbeitswelt zu finden?
Annelie Buntenbach: Eine Beteiligung auf Augenhöhe ist absolut wichtig, doch man darf sich nicht
vormachen, dass dahinter keine Machtverhältnisse mehr lägen. Der Anspruch auf Teilhabe muss wirklich mit entsprechenden Rechtsansprüchen unterlegt sein und mit den entsprechenden Ressourcen, gerade wenn es um Qualifizierung geht. Man muss viel mehr investieren in Bildung und Ausbildung am Anfang, aber auch in die Möglichkeit, sich im Laufe des Arbeitslebens weiterzubilden Ich sage das vor dem Hintergrund, dass Digitalisierung vielen Menschen Angst macht, weil Qualifikationen ihren Wert verlieren, und weil sie vielleicht irgendwann ihren Job verlieren. Es geht darum, die Menschen zu unterstützen, bevor sie abstürzen und in der Arbeitslosigkeit landen. Ich glaube, da haben wir noch eine ganze
Menge zu tun, um das auch wirklich hinzukriegen.
Almut Rademacher: Welche Arbeitsplätze werden durch Maschinen ersetzt? Wo entstehen Neue? Profitieren Frauen oder sind sie eher benachteiligt?
Elena Werne: Es werden Arbeitsplätze wegfallen in Bereichen, die wir durch Maschinen substituieren können. Es werden Bereiche dazukommen, die wir noch nicht kennen. Wie das Verhältnis ist, wissen wir nicht. Soziale Interaktionen – ja, wir sind Menschen und insofern wird das wichtiger und was sie an
ansprechen mit den unterschiedlichen Schulkonzepten ist das Thema Individualität. Individualität im Zugang zu Bildung. Und das wird sich auf jeden Fall in die Richtung entwickeln und das bietet auch die
Riesenchance, die Leute mitzunehmen, die unser jetziges Bildungssystem einfach abhängt hat. Die Technologie macht es möglich, Dinge leichter zu erlernen. Gerade in den Bereichen, die mit sozialer Interaktion zu tun haben, da wird die Verantwortung steigen.
Swetlana Franken: Ich würde das mit dem Qualifikationsniveau verbinden und weniger mit dem Geschlecht. Nach meiner Meinung werden wir eine Sanduhr haben. In der Mitte werden eher Arbeitsplätze verloren gehen. Das sind diejenigen, die standardisierbar sind und deswegen durch Algorithmen, durch KI ersetzt werden. Ganz elementar sind viele Frauen betroffen, z.B. in den Bereichen Buchhaltung, Rechnungswesen, Sekretariat und ähnliches. Im unteren Bereich werden ergänzend zur automatisierten Fabrik, Menschen für elementare Tätigkeiten benötigt werden. Profitieren werden die oberen Ebenen, dort werden neue Jobs entstehen. Das geschieht in kreativ-intelligenten Bereichen, weil die Technik von jemandem entwickelt werden muss. Aber auch sozial-intelligente Tätigkeiten gewinnen an Bedeutung, weil wir in vielen Bereichen Menschen als Partner brauchen, wie in der Bildung, Weiterbildung, auch in allen E-Learning
Formaten. Hier gibt es für Frauen gute Chancen. Das heißt, je nachdem, wo wir uns in Bezug auf Qualifikationen bewegen, sind die Chancen und Risiken unterschiedlich.
Annelie Buntenbach: Ich hoffe, dass die Technik und auch die Digitalisierung dazu genutzt werden, um
schlechte Arbeitsplätze, den unteren Teil der Eieruhr, zu ersetzen, und stattdessen eine Aufwärtsmobilität am Arbeitsmarkt hinzubekommen, und die gering Qualifizierten die Chance haben, auf eine andere Perspektive mit mehr Möglichkeiten und Qualifizierung. Deswegen brauchen wir eine
Bildungs- und Qualifizierungsoffensive. Mein Interesse ist es, dass wir alle mehr Möglichkeiten haben, den Arbeitsprozess mitzugestalten und bewusster mit Technik umzugehen.
Michaela Evans: In der Medizin war es früher so, dass es keine Frauen in der Chirurgie, weil die Chirurgie als Knochenarbeit als sehr Kraftaufwendig galt. Da hatten Frauen keine Chance. Mit modernen Operationstechnologien konnten Frauen auch das Fach der Chirurgie für sich erobern. Da entstehen ganz viele Möglichkeiten auch für Frauen, ohne jetzt über irgendwelche Kompetenzen zu sprechen.
Michaela Evans:
In der Medizin war es früher so, dass es keine Frauen in der Chirurgie, weil die Chirurgie als Knochenarbeit als sehr Kraftaufwendig galt. Da hatten Frauen keine Chance. Mit modernen Operationstechnologien konnten Frauen auch das Fach der Chirurgie für sich erobern. Da entstehen ganz viele Möglichkeiten auch für Frauen, ohne jetzt über irgendwelche Kompetenzen
zu sprechen.
Almut Rademacher:
Ich habe ein letztes Anliegen, ich würde gerne mit einer Chance aus dieser Runde rausgehen. Was würden Sie einer Frau in einer Führungsposition oder einer, die in einem Unternehmen arbeitet oder gerade nicht arbeitet mit auf dem Weg geben?
Swetlana Franken:
Ich möchte jeder Frau sagen, dass es wichtig ist, Vertrauen in die eigenen Kräfte und Fähigkeiten zu haben. Es ist auch wichtig in dieser komplexen Welt zu erkennen, dass wir alle, Männer und Frauen, Jung und Alt, unsere besonderen Talente, Kompetenzen und Blickwinkel haben. Deswegen sind wir nur zusammen stark. Also nicht nur Männer für sich, nicht nur Frauen allein ohne Männer, sondern die Mischung macht alles aus.
Elena Werning:
Das würde ich gerne unterstützen. Jede Frau wie jeder Mann muss für sich erkennen, was kann ich eigentlich und sind meine einschränkenden Gedankenmuster richtig? Aber, es liegt an jedem selbst, seinen „Arsch“ hochzukriegen. Ich rate, nicht zu sagen, „wir müssen hier alles besser haben, irgendwer muss für mich handeln, ich brauche Ressourcen, ich brauche Zeit, ich brauche eine Weiterbildung.“ Ich kann das auch selbst. Also zumindest wir, die hier sitzen, können das selber und anderen müssen wir helfen, das auch zu schaffen. Die Chance ist einfach, wir haben so viel Zugriff auf alles heutzutage. Nutzen wir das doch, nutzen wir die inneren Stärken, das was weiblich ist, was man uns zuschreibt. Damit hat jeder erstmal einen Anker für eine Chance.
Annelie Buntenbach:
Ich wäre froh, wenn jede und jeder auch diese Chance hätte. Es gibt diejenigen, die haben Chancen, sich das alles selber anzueignen und können eine Karriere zu machen. Es gibt diejenigen, die hängen am unteren Ende fest. Gerade diese müssen wir mit im Blick haben. Da müssen wir eine Spaltung der Gesellschaft verhindern. Das ist das eine. Das zweite ist eine Ermutigung für alle, die sich hier einmischen wollen. Gerade Frauen sollten sich zusammenschließen. Und mir ist es wichtig, dass jede Frau im Kopf hat: Technik ist noch kein Sachzwang.
Michaela Evans:
Ich möchte einfach nur sagen: Trau dich! Wir hören ganz häufig „Oh, das ist Technik. Das ist kompliziert.“ Das hängt vielleicht auch ein wenig von den Berufen ab, die man im Blick hat. Trau dich und denk immer daran, wer war denn der erste Mensch, der ein Computerprogramm geschrieben hat? Das war eine Frau.
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