Ein Problem ist: wir schicken Mädchen in Selbstverteidigungskurse, anstatt Jungen etwas über Einvernehmlichkeit und Respekt beizubringen.
Portrait
Dr. Sandra Schwark führt gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Jürgen Peters die Geschäfte der antei GmbH, ein Start-up, das seit 2020 für Unternehmen branchenübergreifend individuelle Softwarelösungen entwickelt. Nebenberuflich ist sie seit 2014 als Fachreferentin und Trainerin im Bereich Diversity aktiv.
Die 34-Jährige hat nach ihrem Bachelor in Kriminologie und englischer Literatur an der University of Sunderland in England einen Master in Psychologie an der University of St Andrews in Schottland absolviert. Anschließend hat sie an der Universität Bielefeld zu dem Thema ´Darstellung sexualisierter Gewalt an Frauen in den Medien und Auswirkungen auf die öffentliche Wahrnehmung` promoviert. Parallel war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich computerunterstützter Forschungsmethoden tätig. Nach mehreren Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld, hat sie ihr Weg nun in die Selbstständigkeit geführt.
Die individuellen Softwarelösungen der antei GmbH werden gezielt und bedarfsgerecht aus der Perspektive der Anwender*in entwickelt, was nicht nur zu einem besseren Produkt führt, sondern auch die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden erhöht. Dabei legt das Unternehmen großen Wert auf das Thema Datensicherheit, das heute mehr denn je eine wichtige Rolle spielt.
Dr. Sandra Schwark im Gespräch mit Vera Wiehe über ihre Gründung im IT Sektor und die Bedeutung von Diversity
Frau Schwark, wollten Sie schon immer ein Unternehmen gründen?
Nein, ich komme aus einer soliden Beamtenfamilie. Die Idee kam primär aus dem Wunsch heraus eigenverantwortlich arbeiten zu können. Mein Antrieb ist es, die Dinge so umsetzen zu können, wie ich ist es für richtig halte. Dabei ging es mir nicht nur um fachliche Selbstverwirklichung. Eine extrem hohe Motivation war es, ein menschliches Unternehmen zu gründen. Wir haben an uns sehr hohe Ansprüche auf einer ethischen Ebene. Das betrifft auch die Zusammenarbeit mit Kund*innen, ein respektvoller und wertschätzender Umgang miteinander ist uns sehr wichtig.
Und wie sind Sie zu der Gründung der antei GmbH im IT- Bereich gekommen?
Ich hatte schon immer eine hohe Affinität zum IT-Bereich. Bereits als 13-jährige habe ich mit einer Freundin Websites zusammengebastelt. In der Schule war ich aber schlecht in Mathematik und fühlte mich darin bestärkt, dass das typisch für Mädchen sei, so dass eine berufliche Umsetzung meines IT-Interesse überhaupt nicht für mich in Frage kam. Aber über private Kontakte, mein Partner ist Software-Entwickler, bin ich zum Thema zurückgekehrt. Ich war an der Gründung des Hackspace ACME Labs e.V. beteiligt, ein offener Treffpunkt für Menschen mit ähnlichen Interessen wie Technik, Computer, Wissenschaft und digitale oder elektronische Kunst. Nach der Promotion habe ich ein Informatikstudium an der Fernuni in Hagen begonnen – nicht auf einen Bachelor ausgelegt, sondern aus Interesse, und um mir und vielleicht auch dem Rest der Welt zu beweisen, dass ich das kann. Anschließend habe ich mich an der Gründung der antei GmbH beteiligt.
Was sind denn Ihre Aufgaben bei der antei?
Ich bin insbesondere für das Marketing, tägliche Geschäftsprozesse und Projektmanagement zuständig. Projektmanagerin zu sein bedeutet, ich bin das Verbindungsglied zwischen den Kund*innen und den Softwareentwickler*innen, führe die Vorgespräche, erhebe die Bedarfe, berate die Kund*innen und habe das Zeit- und Ressourcenmanagement im Blick.
Unser Markteintritt mitten in der Coronakrise, war nicht ganz einfach. Wir müssen noch bekannter werden, um uns hier am Markt zu etablieren. Wir wollen beweisen, dass wir halten, was wir versprechen. Ich bin optimistisch, dass das klappt.
Nebenberuflich arbeiten Sie als Fachreferentin im Bereich Diversity. Wie sind Sie auf das Thema „sexualisierte Gewalt an Frauen“ gekommen?
Ich habe meinen Bachelor, meinen Master und meine Promotion über den Themenbereich „sexualisierte Gewalt an Frauen“ geschrieben. Mir liegt das Thema sehr am Herzen, weil es uns alle angeht. Es ist ein gesamtgesellschaftlich relevantes Problem, das nicht nur Frauen angeht. Unsere Gesellschaft schickt die Mädchen in Selbstverteidigungskurse, anstatt den Jungen etwas über Einvernehmlichkeit und Respekt beizubringen. Genau das ist das Problem.
Eins meiner beruflichen Ziele ist es, diese Situation zu verbessern. Ich will ein größeres Bewusstsein für und mehr Sicherheit im Umgang mit diesen Themen schaffen. Deshalb ist es wichtig, ein grundlegendes Wissen zu vermitteln und Handlungsmöglichkeiten an die Hand zu geben. Dazu kooperiere ich mit dem Frauennotruf in Bielefeld und engagiere mich hier auch ehrenamtlich.
Das ist mir ein Anliegen, weil die Gewalt gegenüber Frauen pandemische Ausmaße hat: alle ein bis zwei Tage wird ein vollendeter Mord oder ein versuchter Mord an einer Frau in Deutschland vermeldet. Die Berichterstattung individualisiert diese Taten und definiert sie um in unvermeidbare Beziehungsdelikte, das ist eine himmelsschreiende Ungerechtigkeit. Die Idee, dass man da vielleicht was ändern könnte, wird häufig nicht gesehen.
Was bedeutet denn für Sie Erfolg?
Für mich persönlich, hat Erfolg viel mit Selbstverwirklichung zu tun. Was mich antreibt ist nicht das Geld, sondern für mich stehen Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung an erster Stelle. Wenn ich das habe in der Arbeit, dann fühle ich mich erfolgreich.
Was tun sie für sich, um Ihre Ressourcen gesund einzusetzen?
Zum einen mache ich sehr viel Sport. Ich praktiziere seit vielen Jahren Iyengar-Yoga und habe zu Corona Zeiten das Zuhause-Workout für mich entdeckt. Auch via Zoom ist jede Übungseinheit für mich wie eine körperliche Meditation.
Ich bin ein sehr geselliger Mensch und es macht mich glücklich, viel Zeit mit anderen Menschen zu verbringen, was im Moment sehr schwierig ist. Ich liebe elaborierte mehrstündige Brettspiele mit Freund*innen und hoffe, dass es bald wieder möglich sein wird.
Was sind Ihre Tipps für potentielle Gründerinnen?
Es ist wichtig mit Menschen zu sprechen, die bereits gegründet haben und auch bereit sind, offen und ehrlich über ihre Erfahrungen und Ängste zu sprechen, damit man nicht so blind da herein geht. Ich hatte zwar an vielen Veranstaltungen zum Thema Gründen und Selbstständigkeit teilgenommen, aber im Nachherein hatte ich das Gefühl, das Wichtigste hat niemand gesagt.
Außerdem ist es sehr wichtig, Netzwerke zu schaffen. Gerade für Frauen ist es wichtig, sich Netzwerke aufzubauen und sich auch mit anderen Frauen solidarisch zu vernetzen. Insbesondere die IT- Industrie hat ein großes Sexismus Problem. Hier arbeiten meist vor allem Männer und häufig bringen diese wenig Sensibilität für Gleichstellungsthemen und Diversity mit.
Was müssten wir tun, damit Diversity in der Arbeitswelt ankommt?
Da können wir viel tun: zum einen muss in den etablierten Unternehmen ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, schon allein wegen des Themas Fachkräftemangel. Die jungen Menschen haben keine Lust mehr auf diese angestaubten Rollenverständnisse, die häufig im Mittelstand noch zu finden sind. Ich habe viele Beispiele als Referentin erlebt, wo Menschen etwas ändern möchten, aber den Eindruck haben, gegen Windmühlen zu kämpfen, weil es weder den Chef noch die Personalabteilung interessiert.
Wichtig ist es auch die Gründung diverser Unternehmer*innen zu fördern, denn statistisch gesehen gründen ja deutlich mehr Männer als Frauen.